Mehr als 30 Wohnprojekte und Initiativen organisierten am 6. Juli, dem Tag der Genossenschaften, unter dem Motto »Wohnen ist ein Grundrecht und muss bezahlbar sein« eine Fahrradsternfahrt mit Abschlusskundgebung in der Mitte Altona. Anwohnerin und Mitglied der Initiative »knallt am dollsten« Larissa Rode berichtete bei dieser Gelegenheit über das Leben in der »Hardcorestraße«.
»Wir leben seit 18 Jahren drüben in der Harkortstraße und hatten in den letzten 11 Monaten: eine Überschwemmung in der Wohnung, einen Wasserrohrbruch im Haus mit einer Woche ohne Wasser, dann ohne Gas, und das im Winter. Seit Montag haben wir ein Leck im Wasserrohr der Küche. Seitdem spülen wir wie die Menschen in der Bronzezeit, in Schüsseln und noch mehr Schüsseln.
Dazu kommen eine ungedämmte Wand, nachdem ein Holstengebäude neben uns abgerissen wurde, was im Winter ätzend ist, die Aussicht auf eine halbfertige Abrissbaustelle, faulende Wasserlachen zwischen den Ruinen und viele andere Mängel. Es gibt 5 leerstehende Wohnungen allein in unserem Haus und 21 auf die Altbauten verteilt, die an der Abrissbaustelle anliegen.
Meine Therapeutin meint, dass es so aussähe, dass das Haus uns loswerden will. Nein, ich denke, es ist nicht das Haus. Dieses alte Gemäuer, das verfällt und verkommt, es kann nichts dafür. Es ist jemand anderes, vielleicht noch nicht mal ein Jemand. Ein Etwas legt es darauf an, dass Häuser entmietet werden und verfallen, weil Wohnen ein Objekt von Spekulation sein darf und kein Menschenrecht.
Als eine Person, die Migration am eigenen Leib erfahren hat, als Teil der mitgebrachten Generation, weiß ich wie sich das anfühlt, nicht ganz freiwillig ein Zuhause und eine Heimat zu verlassen. Als Nachfahrin von Menschen, die im stalinistischen Terrorsystem deportiert wurden, merke ich, wie der Gedanke daran, dass jemand oder etwas mich hier raushaben will, an meine Substanz geht. Dass Besitz mit Verantwortung einhergeht, scheint den Konzernen längst fremd geworden zu sein. Dass unser Heim ein Ort der Regeneration und des Rückzugs vor der hektischen Welt sein soll, interessiert sie null. Dass es ein Ort sein soll, wo wir in Ruhe schlafen, essen, kochen, uns waschen und Mensch sein können.
Statt dessen bleibt das schale Gefühl, dass wir entbehrlich sind, sogar lästig. Dass ein Haus ohne seine Mieter viel mehr wert ist auf dem Markt. Das Ziel der Spekulation ist ein entmietetes, also ein unbewohntes Wohnhaus. Wenn unsere Häuser Spekulationsobjekte sind – und was sind wir dann? Spekulationssubjekte?
Immerhin.
Als Nachbarschaft setzen wir uns zur Wehr, gemeinsam. Es gibt Initiativen, den Mieterschutz, den Wohnraumschutz, das alles bildet ein gutes Netz und verhindert den freien Fall. Wir brauchen mehr Gesetze, die solche Zustände wie in der Harkortstraße verhindern. Letztendlich müssen wir alle irgendwo wohnen und nicht nur hausen. Statt mich mit der schönen Literatur zu beschäftigen, was ich eigentlich will, ist mein neues und zeitraubendes Hobby das Leben und Überleben in der Hardcorestraße.«
Unsere Initiative für eine Bebauung und Gestaltung des Holstenareals im Sinne einer solidarischen Stadtentwicklung startete am 25. Oktober 2020 mit einer gut besuchten Podiumsdiskussion in der Theodor-Haubach-Schule in Altona.
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Zuletzt aktualisiert: 22. Juli 2024 von Astra
Leben in der Hardcorestraße
Mehr als 30 Wohnprojekte und Initiativen organisierten am 6. Juli, dem Tag der Genossenschaften, unter dem Motto »Wohnen ist ein Grundrecht und muss bezahlbar sein« eine Fahrradsternfahrt mit Abschlusskundgebung in der Mitte Altona. Anwohnerin und Mitglied der Initiative »knallt am dollsten« Larissa Rode berichtete bei dieser Gelegenheit über das Leben in der »Hardcorestraße«.
»Wir leben seit 18 Jahren drüben in der Harkortstraße und hatten in den letzten 11 Monaten: eine Überschwemmung in der Wohnung, einen Wasserrohrbruch im Haus mit einer Woche ohne Wasser, dann ohne Gas, und das im Winter. Seit Montag haben wir ein Leck im Wasserrohr der Küche. Seitdem spülen wir wie die Menschen in der Bronzezeit, in Schüsseln und noch mehr Schüsseln.
Dazu kommen eine ungedämmte Wand, nachdem ein Holstengebäude neben uns abgerissen wurde, was im Winter ätzend ist, die Aussicht auf eine halbfertige Abrissbaustelle, faulende Wasserlachen zwischen den Ruinen und viele andere Mängel. Es gibt 5 leerstehende Wohnungen allein in unserem Haus und 21 auf die Altbauten verteilt, die an der Abrissbaustelle anliegen.
Meine Therapeutin meint, dass es so aussähe, dass das Haus uns loswerden will. Nein, ich denke, es ist nicht das Haus. Dieses alte Gemäuer, das verfällt und verkommt, es kann nichts dafür. Es ist jemand anderes, vielleicht noch nicht mal ein Jemand. Ein Etwas legt es darauf an, dass Häuser entmietet werden und verfallen, weil Wohnen ein Objekt von Spekulation sein darf und kein Menschenrecht.
Als eine Person, die Migration am eigenen Leib erfahren hat, als Teil der mitgebrachten Generation, weiß ich wie sich das anfühlt, nicht ganz freiwillig ein Zuhause und eine Heimat zu verlassen. Als Nachfahrin von Menschen, die im stalinistischen Terrorsystem deportiert wurden, merke ich, wie der Gedanke daran, dass jemand oder etwas mich hier raushaben will, an meine Substanz geht. Dass Besitz mit Verantwortung einhergeht, scheint den Konzernen längst fremd geworden zu sein. Dass unser Heim ein Ort der Regeneration und des Rückzugs vor der hektischen Welt sein soll, interessiert sie null. Dass es ein Ort sein soll, wo wir in Ruhe schlafen, essen, kochen, uns waschen und Mensch sein können.
Statt dessen bleibt das schale Gefühl, dass wir entbehrlich sind, sogar lästig. Dass ein Haus ohne seine Mieter viel mehr wert ist auf dem Markt. Das Ziel der Spekulation ist ein entmietetes, also ein unbewohntes Wohnhaus. Wenn unsere Häuser Spekulationsobjekte sind – und was sind wir dann? Spekulationssubjekte?
Immerhin.
Als Nachbarschaft setzen wir uns zur Wehr, gemeinsam. Es gibt Initiativen, den Mieterschutz, den Wohnraumschutz, das alles bildet ein gutes Netz und verhindert den freien Fall. Wir brauchen mehr Gesetze, die solche Zustände wie in der Harkortstraße verhindern. Letztendlich müssen wir alle irgendwo wohnen und nicht nur hausen. Statt mich mit der schönen Literatur zu beschäftigen, was ich eigentlich will, ist mein neues und zeitraubendes Hobby das Leben und Überleben in der Hardcorestraße.«
Kategorie: Allgemein
Intro
Unsere Initiative für eine Bebauung und Gestaltung des Holstenareals im Sinne einer solidarischen Stadtentwicklung startete am 25. Oktober 2020 mit einer gut besuchten Podiumsdiskussion in der Theodor-Haubach-Schule in Altona.
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